Wie angekündigt setzen wir die in unserem vorangegangenen Posting begonnene Analyse dieses Statements (Artikel aus dem Bezirksblatt, Ausgabe 29./30. Jänner 2020) fort:
Man muß die Äußerung “die haben sich nur enthalten und gegen alles gestimmt” einmal in ihrer ganzen politisch-demokratischen Tragweite erfassen. Mit dieser Aussage wird einer Oppositionsfraktion vorgeworfen, daß sie ihre Oppositionsfunktion wahrgenommen und nicht brav allen Anträgen der Regierungspartei zugestimmt, ja sogar ALLE Anträge abgelehnt hat (auf den nicht vorhandenen Wahrheitsgehalt dieser Aussage werden wir zu gegebener Zeit zurückkommen). Soll also — in der politischen Welt unseres Herrn Bürgermeisters — eine Opposition einfach immer nur die Goschn halten und “Ja” sagen (und am besten noch dazu “Amen”, weil ja die Mehrheitspartei in Niederösterreich doch immer wieder die “heilige ÖVP” ist)? Ob unser Herr Bürgermeister dann die Oppositionsrolle seiner eigenen Partei in den doch noch verbliebenen Gemeinden, die nicht in der Hand der ÖVP sind, wohl ähnlich kritisch sieht? “Wer dagegen ist, dem gehört kein Mandat, auch wenn er schwarz oder türkis ist! Punkt! Basta!”
Da unserem Herrn Bürgermeister trotz mehrjähriger politischer Tätigkeit die Funktion einer Opposition offenbar nicht ganz geläufig sein dürfte, möchten wir hier ein bißchen Nachhilfeunterricht erteilen: “Opposition” kommt von “opponere”, das heißt soviel wie: etwas entgegensetzen, dagegenhalten. Im politischen Kontext heißt das: einen Gegenentwurf, eine Alternative anbieten, aber natürlich auch: dagegen sein. Und das ist auch der demokratische Entwurf der Opposition: ein Gegengewicht zu sein, nicht nur Öl, sondern auch Sand im Getriebe des politischen Alltags zu sein. Wer das nicht verstanden hat, wer diesen fundamentalen demokratischen Entwurf nicht verinnerlicht hat, wer der Opposition absprechen möchte, dagegen zu sein, der muß der Mehrheit auch absprechen, dafür zu sein, und der stellt dann damit das ganze Modell in Frage. Der sollte dann in diesem Modell aber auch keine Rolle mehr spielen dürfen, denn er präferiert offenbar ein ganz anderes Modell, einen Gegenentwurf zur Demokratie sozusagen. Aber diesen Gegenentwurf, so denken wir, möchte keiner.
Im Gegensatz zu unserem Herrn Bürgermeister vergönnen wir selbstverständlich allen Minderheiten ihre Mandate — auch den ÖVP-Minderheiten in den wenigen niederösterreichischen Gemeinden, die NICHT von der ÖVP dominiert sind. Opposition ist wichtig, Oppositionsarbeit ist harte Arbeit, und es braucht immer mehr Mut, in der Minderheit zu sein als in der Mehrheit. Natürlich muss man das alles nicht unbedingt wissen, wenn man in Figlhausen aufgewachsen ist und einem der Hl. Fendt schon bei der Geburt in die Ohren geflüstert hat: “Fahr über alles drüber!” Bei einem noch amtierenden Bürgermeister, der zudem schon an die acht Jahre im Amt ist, sollte man aber ein gewisses Mindestmaß an demokratischem Verständnis doch voraussetzen dürfen.
Als Kontrast sei hier übrigens noch das erfrischende und von demokratischer Reife geprägte Statement des Bürgermeisters von Judenau-Baumgarten zitiert, das ebenfalls im erwähnten Bezirksblatt-Beitrag abgedruckt wurde:
Es gibt keine g’mahtn Wiesen. Und die neue Kraft hat dementsprechend neues Publikum geworben. Und wenn drei Parteien da sind, ist es auch klar, dass sich der Kuchen anders aufteilt.
Richtig! So schwer ist es doch gar nicht.
Nächstens mehr.